Haupinhalt

Transformieren statt Abreissen: Emmer Bauprojekt zeigt, wie es geht

21. März 2024
Wie gehen wir mit modernen Bauten in Zeiten von CO2-Reduktion, Ressourcenknappheit, aber auch Wohnungsnot um? Gibt es zum Abreissen und Neubauen Alternativen? Wie kann Weiterbauen aussehen? Ein aktuelles Bauprojekt in Emmenbrücke wurde am Podium «Brutales Transformieren» dabei besonders hervorgehoben.

Am 21. Januar 2024 fand anlässlich der Dernière der Ausstellung «Brutales Luzern» in der Kunstplattform Akku die Podiumsdiskussion «Brutales Transformieren» statt. Eingeladen hatte der Innerschweizer Heimatschutz (IHS), der dieses aktuelle Thema mit den Podiumsgästen Eva Schäfer (ehemalige Denkmalpflegerin, TG), Martin Tschanz (Architekturhistoriker), Oliver Burch (Architekt) und Thomas Lussi (Architekt) diskutierte.

Transformieren kostet
Beim Transformieren von etwas Bestehendem gebe es immer jemanden, der einen Preis zu zahlen habe, das hat was Brutales: sei es der Bauherr mit möglichen Mehrkosten, die Natur mit ökologischen Einbussen, die Architektur mit ästhetischen Kompromissen oder die Gesellschaft mit dem Verlust von Identität und Erinnerungsorten. Dies war die zentrale These des Moderators.

Für Eva Schäfer ist das Bauen im Bestand eine Aufgabe, die keine Verliererinnen und Verlierer haben dürfe. Damit dies gelinge, müsse man beim Bauen konsequent interdisziplinär mit Bauherrschaft, Denkmalpflege, Architektur, Gemeinden und dem Gewerbe gemeinsame Lösungen finden. Dafür, plädierte Martin Tschanz, müssten Vorschriften und Normen zurückgeschraubt werden, aber immer mit dem Fokus der Rechtssicherheit für alle Involvierten.

Das Abreissen sollte nur noch letzte Konsequenz sein. Früher war der Abriss nur schon finanziell gar keine Option. Man hatte auf dem Bestehenden weitergebaut. Bauten sollten in ihrem Bestand nicht eingefroren werden. Das Transformieren, das Weiter- und Umnutzen sind eigentlich das Spannende an einer baukulturellen Diskussion.

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Gut besuchte und angeregt geführte Podiumsdiskussion im Akku.

Bauen im Bestand wurde verlernt
Seit 1990 hat man das Bauen im Bestand aber verlernt. Es wurden an Universitäten und in Architekturinstitutionen nur das neue Bauen gelehrt und in Publikationen nur noch Neubauten gezeigt, so Martin Tschanz. Architekten waren zu lange nur gestaltend oder als Designer tätig. Heute müsse jedoch wieder stärker gesellschaftlich gedacht und gehandelt werden.

Mit einer neuen Generation von Bauleuten gebe es ein Umdenken. In einer Altstadt ist immer nur Bauen im Bestand möglich gewesen, warum nicht auch anderswo? So der Input von Oliver Burch, der die junge Generation der Architekten auf dem Podium vertrat. Auch die Denkmalpflege sei nicht für eine Käseglocke, sondern durchaus auch für Umnutzungen.

Ein kontroverses Beispiel
Dass dies nicht einfach ist, zeigte die Diskussion um die partielle Umnutzung der St.-Karli-Kirche in Luzern zu einem Caritas-Laden. Die Katholische Kirche der Stadt Luzern stand einem solchen Vorschlag aufgeschlossen gegenüber. Die Denkmalpflege bewilligte die Umnutzung aber nicht. Der Luzerner Architekt Thomas Lussi sah das ähnlich, soll doch die Kirche als Besinnungs- und Begegnungsort bestehen bleiben.

Für Oliver Burch nicht verständlich. Bei schwindenden Kirchenbesuchen könnten leerstehende Sakralbauten durch einen Caritas-Laden eine wichtige soziale Funktion erfüllen und auch als Begegnungsort dienen. Zudem sei eine Umnutzung technisch möglich, ohne dass die Substanz des Gebäudes verloren gehe. 

Pfarreizentrum Gerliswil, ein visionäres Projekt
Wissen im Umgang mit bestehender Bausubstanz besitzen heute aber wenige. Man sollte deshalb bei Wettbewerben auch gute Lösungen ausserhalb der Wettbewerbsvorgabe berücksichtigen. Beim Bauprojekt des Pfarreizentrums Gerliswil hatte man von Anfang an die Aufstockung des bestehenden Pfarreiheims gewollt und entsprechend kommuniziert.

Resultat war ein Vorzeigeprojekt, das dank Flexibilität aller Involvierten seinen kulturellen Wert beibehalten konnte: Die Nutzer erkennen ihr altes Gebäude. Die Verankerung in der Gemeinde und Region bleibt so bestehen. Thomas Lussi meinte selbstkritisch, dass die Architekturbranche sich stärker bewusst werden müsse, dass das Um- und Weiterbauen eine genauso hoch zu wertende Disziplin wie das Neubauen sei.

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Das über 40-jährige Pfarreizentrum Gerliswil wurde saniert und erweitert und mittels Aufstockung erweitert.

Neueröffnung des Pfarreizentrums Gerliswil

Am 27. und 28. April 2024 wird die Neueröffnung des Pfarreizentrums Gerliswil unter dem Motto «Alle unter einem Dach» feierlich begangen. Die Bevölkerung ist herzlich eingeladen, das Bauwerk zu besichtigen. Ein reichhaltiges Programm sorgt für kurzweilige Stunden. Infos dazu finden sich hier.

Podium Akku
Das Podium wurde im vollbesetzten Akku mit über 90 Gästen von IHS-Präsident Remo Reginold (Bildmitte) moderiert. (Bild: Michael Scherer)