Gemeinde Emmen
Rüeggisingerstrasse 22
6021 Emmenbrücke
+41 41 268 01 11
emmen@emmen.ch
Ein warmer Donnerstagnachmittag im August vor dem Bistro Tramhüsli in Emmen. Auf dem Vorplatz treffen wir uns zu einem Gespräch in entspannter Atmosphäre über ein verantwortungsvolles Amt. Simon Oehen, 46-jährig und seit 2022 für die SP im Einwohnerrat, ist Projektleiter bei einem Ingenieurbüro und lebt mit seiner Familie in Emmen. Einstimmig haben ihn seine Ratskolleginnen und -kollegen zum Präsidenten des Einwohnerrats für das Amtsjahr 2025/2026 gewählt.
Simon Oehen, wie haben Sie die Wahl zum «höchsten Emmer» erlebt?
Ich habe mich sehr über die einstimmige Wahl gefreut. Natürlich war auch etwas Anspannung da: Was bedeutet das Amt, was kommt auf mich zu? Langsam wird mir bewusst, was es heisst, Präsident zu sein: Anfragen, Grussworte, Einladungen, den Ratsbetrieb leiten. Das ist anspruchsvoll, aber es gehört dazu. Gleichzeitig freue ich mich sehr auf die vielen Begegnungen in der Gemeinde und darauf, Menschen kennenzulernen, die ich bisher noch nicht getroffen habe.
«Für mich persönlich ist das Präsidium vor allem eine Chance, mich einzubringen, viele Menschen kennenzulernen und ihre Anliegen, Sorgen oder Ideen aufzunehmen.»
Was bedeutet Ihnen dieses Amt?
Für mich persönlich ist das Präsidium vor allem eine Chance, mich einzubringen, viele Menschen kennenzulernen und ihre Anliegen, Sorgen oder Ideen aufzunehmen. Vielleicht fliesst das eine oder andere später auch in meine Arbeit im Rat ein. Entscheidend ist für mich die Freude am direkten Austausch – genau das macht dieses Amt für mich besonders reizvoll.
Wann würden Sie für sich sagen: Das war ein erfolgreiches Präsidialjahr?
Ich sehe zwei Ebenen. Politisch wünsche ich mir, dass der Ratsbetrieb etwas lebendiger wird. Im Moment wirkt er auf mich manchmal zu starr. Ich fände es schön, wenn mehr echte Diskussionen stattfinden würden – nicht nur vorbereitete Voten, sondern auch Offenheit für gute Argumente, auch jenseits der Parteilinien. Gleichzeitig soll es im Rat selbstverständlich friedlich und respektvoll bleiben. Persönlich wäre es für mich gelungen, wenn ich am Ende des Jahres das Feedback bekomme: «Moll, das hesch guet gmacht.» Wenn sowohl ich als auch die Menschen im Rat und in der Gemeinde das so empfinden, weiss ich, dass es ein gutes Präsidialjahr war.
Welche Erfahrungen aus Ihrer bisherigen politischen oder beruflichen Laufbahn möchten Sie in Ihre neue Rolle einbringen?
Beruflich arbeite ich als Bürolist in einem Ingenieurbüro, einem klassischen Dienstleistungsbetrieb. Dort geht es oft darum, Bedürfnisse zu erkennen – manchmal wissen die Leute gar nicht genau, was sie wollen – und passende Lösungen zu finden. Dieses Verständnis möchte ich auch ins Präsidium einbringen.
Wie würden Sie Ihren politischen Stil beschreiben?
Man sagt mir nach, dass ich manchmal von meiner linken Position abweiche – für mich ist aber entscheidend, geradlinig zu bleiben. Ich muss niemandem gefallen oder etwas beweisen, dafür ist mir die Zeit zu schade. Pointiert wäre ich manchmal gerne, nur kommen mir die besten Formulierungen oft erst, wenn die Diskussion vorbei ist.
Was ist Ihnen im Ratsbetrieb besonders wichtig?
Mir ist wichtig, dass wir im Rat auf Augenhöhe diskutieren. Man sollte auch einmal sagen können: «Moll, er hat recht», und bereit sein, über Dinge nachzudenken oder vorgefasste Meinungen zu revidieren. Gepoltes Denken darf man ruhig ablegen. Ein Vorschlag sollte nicht nur deshalb abgelehnt werden, weil er von der «anderen Seite» kommt. Ich wünsche mir mehr echte Diskussion, mehr Austausch – aber immer fair im Umgang miteinander. Dazu gehört auch, dass es zwischendurch lebendiger werden darf. Es darf mal «räble», auch ein bisschen lauter sein. Wichtig ist nur, dass es nicht ins Chaotische kippt. Ob mir das alles gelingt, weiss ich nicht – aber es ist der Anspruch, mit dem ich ins Präsidium starte.
Welche Themen liegen Ihnen als Politiker besonders am Herzen?
Wichtig sind mir Themen, die auch viele Menschen in Emmen beschäftigen. Dazu gehören etwa der Verkehr, der an gewissen Tagen massiv durch unsere Gemeinde rollt, oder die Tatsache, dass die Autobahn Emmen förmlich in zwei Hälften teilt. Auch bei der Infrastruktur und den Finanzen sehe ich grosse Herausforderungen: Die Kassen sind nicht rosig, die Steuern dafür hoch. Das muss man benennen dürfen. Gleichzeitig sehe ich enormes Potenzial. Emmen entwickelt sich stark, und wir sollten die Chance nutzen, gewisse Fehler nicht zu wiederholen. Es geht darum, die Entwicklung so zu gestalten, dass sie der Gemeinde guttut.
Ihre Fraktion hat in dieser noch jungen Legislatur bereits mehrere Abgänge erlebt – woran liegt das?
Ich sehe hier zwei Seiten. Einerseits finde ich es schade, wenn innerhalb einer Fraktion gleich mehrere Personen gleichzeitig aus dem Rat zurücktreten – gerade weil wir in der SP zuletzt gut harmoniert haben. Persönliche Lebensumstände können das aber bedingen, gerade bei jungen Leuten verändert sich vieles sehr schnell. Auf persönlicher Ebene bedaure ich die Abgänge, sachlich muss man aber akzeptieren, dass es passieren kann. Andererseits lebt Politik von frischen Ideen und neuen Köpfen. Neue Sichtweisen bringen Schwung, verhindern Betriebsblindheit und eröffnen Perspektiven, die man vielleicht selbst nicht mehr sieht. Natürlich braucht es auch Konstanz und Erfahrung, doch entscheidend ist das Gleichgewicht. Politik lebt letztlich davon, dass Erfahrung und neue Sichtweisen zusammenkommen.
In Ihrer Fraktion sind Sie bekannt dafür, auch mal unbequeme Fragen zu stellen. Wie gelingt es Ihnen, Ihre eigene Meinung zu vertreten und trotzdem den Zusammenhalt zu wahren?
Solange man seine Meinung begründen kann und nicht populistisch auftritt, ist das kein Problem. Ich bringe andere Erfahrungen mit, die ich einbringen möchte – so entstehen Diskussionen. Wichtig ist mir, dass das auf faire Art und Weise geschieht. Es gab Momente, in denen ich gesagt habe: Wenn es dir wirklich wichtig ist, stimme ich so. Und andere, wo ich klar gesagt habe: Für mich stimmt das nicht. Dann heisst es halt mal «grossmehrheitlich». Entscheidend ist, dass es diesen Raum gibt. Wenn alle nur mit vorgefassten Meinungen abstimmen, bräuchte es keine Fraktionssitzungen mehr. Gerade die Diskussion, auch mit unterschiedlichen Standpunkten innerhalb einer Partei, macht den Wert aus.
«Ich wünsche mir mehr echte Diskussion, mehr Austausch – aber immer fair im Umgang miteinander.»
Emmen steht in vielen Bereichen vor grossen Umbrüchen – sei es bei der Infrastruktur, in der Raumplanung oder bei sozialen Fragen. Was sehen Sie als grösste Chance, was als grösste Herausforderung?
Eine der grössten Chancen sehe ich darin, dass Emmen stark wächst und offenbar auch für Investoren attraktiv ist. Politik und Gemeinde müssen hier die Finger draufhaben – aber gleichzeitig auch herausholen, was für die Bevölkerung möglich ist. Wir machen Politik für die Menschen, die hier leben, nicht für Investoren. Bisher ist noch niemand abgesprungen, wenn wir Forderungen gestellt haben. Gleichzeitig ist genau dieses Wachstum die grösste Herausforderung. Mehr Menschen bedeuten mehr Infrastruktur und Kosten, während die Finanzen angespannt bleiben. Wachstum allein reicht nicht – entscheidend ist, dass es gesund ist.