Haupinhalt

«Das Milizsystem kommt an seine Grenzen»

3. November 2023
Viele Abwesenheiten, vorzeitige Rücktritte: Der Emmer Einwohnerrat hat regelmässig Absenzen und eine hohe Fluktuation zu beklagen. Das hat Einfluss auf die demokratische Legitimation der Parlamentsentscheide und wirkt sich negativ auf die Glaubwürdigkeit des Einwohnerrats aus. Eine Stellvertretungsregelung soll nun für Abhilfe sorgen.

Lediglich zwei Ratssitzungen waren es bisher in der laufenden Legislatur (2020-2024), an denen der Emmer Einwohnerrat vollständig getagt hat. An allen anderen Sitzungen sind jeweils zwischen einem und sieben Ratsmitglieder der Debatte ferngeblieben – trotz Obligatorium. Die Gründe: Private oder berufliche Verpflichtungen, Ferien, Krankheit. «Den einzelnen Fraktionen gehen dadurch Stimmen verloren», monieren Parlamentarier der Mitte/GLP-Fraktion in einem 2022 eingereichten Postulat. Hinzu kommt, dass seit Legislaturbeginn bereits 15 der insgesamt 40 Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte zurückgetreten sind. Oftmals wird dafür der hohe Zeitaufwand als Argument ins Feld geführt.

Stellvertretungsmöglichkeit zur Steigerung der Attraktivität
Dass aufgrund leerer Sitze die Abstimmungsergebnisse im Emmer Parlament beeinflusst werden, liegt auf der Hand. Bei Abwesenheitsquoten von bis zu 17,5 Prozent leiden darüber hinaus sowohl die demokratische Legitimation der Parlamentsentscheide als auch die Glaubwürdigkeit des Rates gegenüber der Bevölkerung. «Die Abwesenheiten und Rücktritte zeigen, dass das Milizsystem an seine Grenzen kommt», folgern die Postulanten. Es brauche neue, innovative Ansätze, damit der Rat wieder vermehrt vollzählig ist und weniger Rücktritte erfolgen. «Nur so kann der Einwohnerrat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern glaubwürdig auftreten.»

Einen möglichen Ansatz sehen die Mitte/GLP-Fraktionsmitglieder in einer Stellvertretungsregelung. Diese Möglichkeit wäre insbesondere für Frauen attraktiv, die neben Beruf und Familie oft kein politisches Amt ausüben könnten, oder für Junge, die sich noch in Ausbildung befinden, sind die Postulanten überzeugt. Die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten würde ihrer Meinung nach für alle Parteien einfacher ausfallen, müssten die interessierten Personen sich nicht dazu verpflichten, während vier Jahren an allen Sitzungen teilzunehmen.

Gesetzesgrundlage durch den Kanton
Im Kanton Luzern gibt es mit Luzern, Emmen, Horw, Kriens und ab 2024 Ebikon fünf Gemeinden, die über ein Parlament verfügen. Keine dieser Parlamentsgemeinden kennt allerdings eine Stellvertretungsregelung – können sie auch gar nicht, weil es dazu auf kantonaler Ebene an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlt. Die Emmer Postulanten fordern den Gemeinderat deshalb dazu auf, sich beim Kanton Luzern dafür einzusetzen, dass die rechtlichen Grundlagen für Stellvertretungen in kommunalen Parlamenten geschaffen werden, wie dies in den Kantonen Genf, Graubünden, Jura, Neuenburg und Wallis bereits besteht.

Schützenhilfe gab’s derweil aus dem kantonalen Parlament. Kurz nach dem einwohnerrätlichen Vorstoss richtete der Emmer Kantonsrat und ehemalige Einwohnerrat Tobias Käch (Mitte) dasselbe Anliegen mittels Motion an den Luzerner Regierungsrat. Letzterer signalisiert Offenheit und zeigt sich in seiner Antwort gewillt, ein für alle Luzerner Parlamentsgemeinden einheitliches Modell zu entwickeln und die nötigen Gesetzesanpassungen dem Kantonsrat vorzuschlagen. Zunächst gelte es aber zu klären, ob in den genannten Gemeinden überhaupt ein Bedürfnis nach einer Stellvertretungslösung besteht, so die kantonale Exekutive.

Der Emmer Gemeinderat begrüsst dieses Vorgehen und ist bereit, bei den kantonalen Überlegungen und Ideen für ein mögliches Stellvertretungssystem in kommunalen Parlamenten mitzuwirken. Damit einher geht die Bereitschaft, das Postulat der Emmer Mitte/GLP-Fraktion entgegenzunehmen. Der Einwohnerrat wird an der Sitzung vom 14. November 2023 über den Antrag befinden.

Der Einwohnerrat in der Turnhalle Gersag.
Wird es in Zukunft dank Stellvertretungsmöglichkeit weniger leere Stühle geben an den Einwohnerratssitzungen? (Bild: pbu)