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Ein Leben für die Schule

23. Juni 2025
Bruno Rudin hat über vier Jahrzehnte lang das schulische Leben in Emmen geprägt – als Lehrer, Schulleiter und zuletzt als Rektor. Mit seiner Frühpensionierung per Ende Juli 2025 geht eine Ära zu Ende. Ein persönlicher Rückblick auf eine Laufbahn zwischen Sporthalle, Schulhaus und Sitzungszimmer.

Wenn Bruno Rudin auf seine Anfänge in der Emmer Schullandschaft zurückblickt, dann kommt ihm nicht etwa ein klassischer Berufseinstieg in den Sinn – sondern ein Sprung ins kalte Wasser. «Ich habe im November 1984 meine erste Schullektion gehalten – eine Turnstunde mit einer Mädchenklasse im 9. Schuljahr», erinnert er sich. Damals war er noch mitten im Sportlehrerstudium, als das Rektorat ihn kontaktierte. Die Klasse galt als herausfordernd – zwei Lehrpersonen hatten in kurzer Zeit bereits das Handtuch geworfen. «Die Gemeinde wusste offenbar nicht mehr weiter. Ich konnte gar nicht nein sagen und bin dem Ruf gefolgt.»

Trotz des ungewöhnlichen Starts entwickelte sich daraus ein bleibendes Engagement. Die Klasse und er brachten das Schuljahr gemeinsam erfolgreich zu Ende – der Beginn einer über 40-jährigen Laufbahn in der Emmer Volksschule. «Und seit da ist mich die Gemeinde Emmen nicht mehr losgeworden», sagt er mit einem Schmunzeln.

Wachsen mit der Verantwortung
Rückblickend nennt er die Mitte der 90er-Jahre als eine Phase, die ihn persönlich und beruflich stark geprägt hat. «Damals hat sich die Gemeinde Emmen am kantonalen Projekt ‘Schule mit Profil’ beteiligt – als eine der ersten überhaupt. Niemand wusste so recht, wohin das führen würde», erinnert er sich. Der Schritt in eine neue Schulführungswelt mit teilautonomen Einheiten war ein Wagnis – und für ihn zugleich der Beginn eines neuen Kapitels.

Er stieg als Leiter im Gersag 1 ein, mit anfänglich gerade einmal zehn Stellenprozenten. Der Übergang vom Sportlehrer zur Führungsperson war ein entscheidender Wendepunkt. «Ich wusste damals nicht, ob ich mein Leben lang Turnunterricht geben würde. Doch ich habe mich entschieden, mich auf diese neue Aufgabe einzulassen.» Aus den ersten wenigen Lektionen Schulleitung wurden Jahre intensiver Arbeit, in denen er als Schulleiter, Prorektor und später als Rektor immer mehr Verantwortung übernahm.

«Man wächst mit der Aufgabe», sagt er. Gerade in schwierigen Situationen sei das besonders spürbar gewesen.

«Schule führen, wenn die Sonne scheint, ist einfach. Aber in Krisenzeiten brauchst du starke Netzwerke. Und die hatten wir in Emmen immer.»

Bruno Rudin

Dieses funktionierende Zusammenspiel von Institutionen und Menschen sei ein Qualitätsmerkmal der Volksschule Emmen – ebenso wie die Fähigkeit, unter herausfordernden Bedingungen konstant gute Arbeit zu leisten. «Mit wenig viel herausholen – das zeichnet unsere Schule aus», sagt Bruno Rudin. «Und das gelingt nur, weil hier so viele engagierte Leute arbeiten. Doch braucht es dafür auch die Anerkennung  und die entsprechenden Ressourcen. Denn von Wertschätzung allein kann niemand überleben.»

Gerade unter schwierigen Rahmenbedingungen, etwa bei Personalengpässen oder fehlendem Budget, sei das eine Herausforderung gewesen. «Aber es war mein Anspruch, den Standard nicht nur zu halten, sondern wann immer möglich auszubauen.» Und mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: «Vor 40 Jahren wäre ich kein guter Rektor gewesen – und heute würde ich wohl nicht mehr ausreichen als Sportlehrer.»

Wandel und Werte
Bruno Rudin hat in vier Jahrzehnten Schule nicht nur Generationen von Kindern begleitet, sondern auch tiefgreifende Veränderungen miterlebt. Der Wandel, so sagt er, sei besonders in den letzten zehn Jahren spürbar gewesen. «Es gab viele Veränderungen – getrieben durch die Entwicklung der Gesellschaft», sagt er.

Die Schule sei gefordert, diese Trends nicht nur zu erkennen, sondern aktiv mitzugehen. Digitalisierung, ein veränderter Umgang mit Autorität oder die veränderte Rolle der Schule im Alltag – all das hinterlasse Spuren.

Besonders forderte ihn der integrative Anspruch der Volksschule. «Wir separieren nicht mehr, wir integrieren – das ist richtig, aber enorm anspruchsvoll», sagt Rudin. Es gelte, Kinder mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht zu begleiten, ohne dass andere zu kurz kommen. Auch der Stellenwert der Schule habe sich gewandelt: «Früher war sie eine Institution mit Autorität – heute müssen wir vieles legitimieren und erklären.» Sorge bereitet ihm auch der schleichende Fachkräftemangel: «Wenn du merkst, dass dir die Leute fehlen, ist es meist schon zu spät.»

Für Gemeinderat Brahim Aakti ist aber klar: Gerade in dieser wachsenden Komplexität hat Bruno Rudin über Jahre hinweg wichtige Spuren hinterlassen. «Er war stets klar, verlässlich, strukturiert und loyal», sagt Aakti.

«Es gibt wohl niemanden, der die Volksschule Emmen so gut kennt wie er. Sein Know-how ist einzigartig – und es geht mit seiner Frühpensionierung ein Stück davon verloren.»

Brahim Aakti, Gemeinderat und Schuldirektor

Dass Rudin mit Herzblut bei der Sache war, betont Aakti besonders: «Er ist in Emmen aufgewachsen, hier zur Schule gegangen – und hat sich über Jahrzehnte mit ganzer Kraft für die Schule eingesetzt. Die Volksschule Emmen hatte bei ihm stets eine sehr hohe Priorität.»

Führen mit Haltung
Bruno Rudin war über viele Jahre hinweg Führungsperson mit klaren Prinzipien. Entscheidungen zu treffen – auch unbequeme – gehörte für ihn zum Alltag. Dass er kaum eine davon bereue, hat für ihn mit Verantwortung zu tun. «Man muss Entscheidungen treffen und dazu stehen. Und im Nachhinein vielleicht auch mal sagen können: War nicht optimal. Das stärkt das Vertrauen – gerade in der Schule, wo Menschen mit Menschen arbeiten.»

Dieses Verständnis zeigt sich auch in seiner Haltung gegenüber Mitarbeitenden. «Als ich übernommen habe, waren wir 270 Personen – heute sind es knapp 700. Sorge tragen zum Personal ist zentral. Der Mindset muss stimmen – aber wir als Arbeitgeberin können einen Beitrag leisten, indem wir zeigen: Hier lohnt es sich zu arbeiten.»

Für Benno Gut, Bereichsleiter Schulinfrastruktur, war Rudins Führungsstil prägend: «Er war nie übereifrig, sondern umsichtig und strukturiert. Erst beobachten, überlegen, dann loslegen – das hat ihn ausgezeichnet.» Auch seine Konstanz und Verlässlichkeit hebt Gut hervor: «Er war gut vernetzt, wusste, wie man Dinge anpackt, und hat uns Schulleitende immer vorausschauend unterstützt – mit Blick auf das Ganze, auf alle Beteiligten.» Besonders geschätzt habe er zudem den persönlichen Umgang: «Die kurzen Gespräche zwischendurch – zum Beispiel über gutes Essen oder einen feinen Wein –, wenn es mal nicht um Schule ging, werde ich sehr vermissen.»

Blick über den Tellerrand
Als Rektor war Bruno Rudin nicht nur schulisch, sondern auch gemeindepolitisch vernetzt – und genau das habe er besonders geschätzt: «Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung war direktionsübergreifend immer top. Ob mit der Immobilien- oder Sozialdirektion – auch bei intensiven Themen wie Sanierungen oder Neubauten lief das immer sehr zielführend und angenehm.»

Diese Netzwerkarbeit reichte weit über die Verwaltung hinaus. Besonders stolz ist Rudin auf die enge Kooperation mit dem Emmer Gewerbe und der lokalen Wirtschaft: «Der Berufswahlparcours oder das Projekt LIFT sind super Beispiele für die tolle Zusammenarbeit hier in Emmen. Es ging immer darum, möglichst vielen Jugendlichen einen passenden Weg zu ermöglichen. Ein grosses Dankeschön ans Emmer Gewerbe – ihr macht das super!»

Vorfreude auf mehr Eigenzeit
Nach 41 Jahren im Dienst der Volksschule Emmen bleibt Bruno Rudin vor allem eines: dankbar. Dankbar für eine berufliche Laufbahn, die von Vertrauen, Gestaltungsspielraum und tiefer Sinnhaftigkeit geprägt war. «Ich bin der Gemeinde Emmen sehr dankbar, dass ich das machen durfte. Es war immer ein Dürfen, kein Müssen.»

Wenn er an besondere Momente zurückdenkt, sind es weniger die grossen öffentlichen Ereignisse als vielmehr stille Erfolge: Geschichten von Kindern, denen kaum jemand etwas zugetraut hätte – und die ihren Weg trotzdem erfolgreich gegangen sind. «Solche Geschichten berühren mich bis heute.»

Auch die emotionale Bindung vieler Mitarbeitenden an die Volksschule erfüllt ihn mit Stolz. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel sei es keine Selbstverständlichkeit, dass sich so viele mit Herzblut engagieren: «Das gilt es zu pflegen – unbedingt.»

Für sich persönlich freut er sich nun auf eine Sache ganz besonders: die Eigenzeit. «Ein leerer Kalender, Zeit für mich, Zeit für meine Frau, Zeit mit der Familie. Vielleicht auch etwas Freiwilligenarbeit – einfach das tun, was mir Freude macht.»

Und die Zukunft der Emmer Bildungslandschaft? Rudins Wunsch ist klar: «Dass die Volksschule Emmen den Stellenwert geniessen kann, der ihr zusteht – mit der nötigen Wertschätzung und den nötigen Ressourcen. Denn ich bin überzeugt: Wir machen einen super Job.»

Bruno Rudin (Rektor) an seinem Arbeitsplatz
Bruno Rudin verabschiedet sich nach über 40 Jahren aus der Emmer Volksschule. (Bild: Volksschule Emmen)