Haupinhalt

24. November 2022
Die Gemeinde Emmen öffnet ihren Kunsttresor! Die Kunstsammlung der Gemeinde Emmen besitzt mehr als 600 Werke. Die Bilder, Zeichnungen und Plastiken setzen farbige Akzente in Büros der Verwaltung und in Schulhäusern, sie markieren Plätze im Freien oder warten im Archiv auf ihre Entdeckung. Jede Woche wird eines dieser Kunstwerke vorgestellt.

Der Schöpfer des Kunstblattes, das in der heutigen Folge vorgestellt wird, war vor der Jahrtausendwende eine geistvolle Figur in der Kunstszene: Johannes Gachnang (1939-2005). Der Zürcher lernte Hochbauzeichner, arbeitete in Paris und Berlin auf dem Beruf, ehe er sich intensiv in die Zeichen- und Radierkunst vertiefte. Als 29-Jähriger gab er den ersten Zyklus von schwarz-weissen Radierungen mit überbordend detaillierten, höchst präzis ausgeführten fantastischen Architekturen heraus. Dann zog er nach Istanbul, wo er, beeinflusst von der osmanische-byzantinischen Architektur den zweiten Radierungs-Zyklus „Die neue historische Architektur des Johannes Gachnang“ schuf.

Aus diesem, 170 herausgegebenen Portfolio stammt die heute ausgewählte Radierung mit dem Titel „Der Circus der nachmaligen Kaiserin Theodora zu Byzanz“ von 1970. (Exkurs zu deren Herkunft und Karriere: Theodora war eine Hetäre, die als spätantike Schauspielerin, Strip-Performerin und Influencerin den Aufstieg aus den unteren Gesellschaftsrängen zur Ehefrau Kaiser Justinians schaffte und gar Mitregentin auf dem Thron wurde. Fazit: Es gibt, bezüglich Beförderung in den VIP-Status, nichts Neues unter der Sonne…).

Im Gegensatz zum ausschweifenden Leben der Theodora ist die ihr gewidmete Radierung eine puristische, rationale, von handwerklicher Ziselierarbeit auf der Kupferplatt geprägte Angelegenheit; reiche aber kühle Ornamentik, rasterartig aufgebaute und sich innerlich verdichtende architektonische Projektionen von Formen und Symbolen. In der Kunstsammlung Emmen hat es vier solcher Radierungen von Johannes Gachnang; erworben wurden sie 1973 aus der Ausstellung in der Gemeindegalerie. Die vier Blätter zierten hierauf lange Zeit eine Wand im künstlerisch-modernen und eben eröffneten Zentrum Gersag-Restaurant, bevor dieses später auf aparte Heimeligkeit umgebaut wurde, in der geheimen Hoffnung auf mehr Gäste und bessere Rendite.

Nach 1973 wurde aus dem Künstler Johannes Gachnang ein Ausstellungsmacher. Er war acht Jahre lang Leiter der Kunsthalle Bern, kuratierte internationale Ausstellungen, verlegte Kunstbücher und war in der Leitung der Documenta 7 in Kassel engagiert.

Radierung mit dem Titel „Der Circus der nachmaligen Kaiserin Theodora zu Byzanz“ von Johannes Gachnang
Radierung mit dem Titel „Der Circus der nachmaligen Kaiserin Theodora zu Byzanz“ von Johannes Gachnang